Vom Fegen und Wandern

„In Vom Fegen und Wandern bildet die große Sehnsucht, aufzubrechen mit der kleinbürgerlichen nach Ordnung und Sauberkeit ein eigenwilliges Amalgam. Die raumfüllende Installation besteht aus Besen, Stocknägeln und Fotografien, die all jene Orte zeigen, die auf den Souvenirs und Wegmarken festgehalten sind, die der Wanderer passiert hat. Jeder kehrt vor seiner eigenen Tür und fegt doch durch die Welt und übers Land. Das Wandern, falleri fallera, entdeckt keine eigene Perspektive, schon gar keine individuelle Sicht. Obgleich Reichtum und Besonderheit der Wahrnehmung vom je eigenen Rhythmus des Wanderers abhängen, ist diese geschrumpft auf das Einsammeln billiger Trophäen. So entdeckt der Wanderer, dieser kleinbürgerliche Flaneur, die Welt nur als harmlos-nettes Andenken, als Bild, das sich um seinen Wanderstab krümmt und Stadt, Berg, See oder Fernsehturm als unscharfe, aber stets idyllische Sehenswürdigkeit erinnert.

Eben dies ist Philipp Morlock des Sehens würdig: das damit einhergehende Überspringen der Gegenwart, das Ausbrechen ins Erinnern, das jenen Schein erzeugt, von dem die Sehnsucht des Kleinbürgers zehrt. Man weiß immer schon, wo solches Hinaus, ein solches Aufbrechen in die Natur endet: beim gestanzten Bild und Relief einer obskuren Sehnsucht, die jede Berührung mit einem Draußen vermeidet, dessen harmlose Kontur man nicht bereits kennt. Immer aber gab es auch andere Gangarten. Ob in Hölderlins Oden der Atem des Gehens vernehmbar ist, ob Seume bis nach Syrakus wandert oder Werner Herzog vom Gehen im Eis schreibt, aus Gehen und Wandern sprechen noch immer die Freiheit des eigenen Rhythmus und die Freiheit der umherwandernden Gesellen, auch wenn von ihnen heute, in einer Zeit der unbezahlten Praktika und Hospitanzen, nur noch die Zimmerleute übrig geblieben sind, die, stets etwas mißtrauisch beäugt, mit ihrem Bündel von Ort zu Ort ziehen. Wo nahezu alles touristisch erschlossen ist, Wandern „Trekking“ heißt und das kontrollierte Nomadentum längst nicht mehr ins Offene gelangt, da krümmt sich die Bewegung des Weggehens zurück – und aus dem Wandern wird ein Kehren vor der eigenen Tür.“

Auszug aus dem Text „Auf Jolly Jumper zur Kötzinger Hütte – Bewegungsarten in den Skulpturen von Philipp Morlock“ von Thomas Wagner

 

Vom Fegen und Wandern (2006) – Fotografien 29 x 29 cm; Besen, Stocknägel, Kompass Maße variabel