Mannheim-Texas

since 2012

„Als junger Künstler hatte ich den Plan, ins Ruhrgebiet zur gehen. Ich dachte, da gibt es so viele Möglichkeiten, auf den Industriebrachen etwas zu machen, die Freiräume zu nutzen für Kunst, neue Formen des Zusammenlebens. Als ich die ehemaligen Militärflächen hier zum ersten Mal gesehen habe, wusste ich, Mannheim hat das zu bieten. Hier werde ich die nächsten Jahre verbringen.“

 

Wie der stumme Protagonist Travis in Wim Wenders Kultfilm „Paris – Texas“ durchstreift PM die endlosen, wild-westhaften Weiten der Konversionsflächen. Ohne zu wissen, was genau er sucht, erkundet der Künstler die einstigen US-Stützpunkte. Er findet Zurückgelassenes vergangener Militärnutzungen vor, entdeckt das Wertvolle in den Abbruchmaterialien, zieht von Zwischennutzung zu Zwischennutzung, hebt Gruben aus, reißt Hallen ab, lässt Schafe weiden und wird zum Pionier der Flächen. Und trifft auf viele Verbündete. Film ab für Mannheim – Texas. 

2012, Bürgerbeteiligung zur Nutzung der Konversionsflächen

Platz da! Die amerikanischen Soldaten ziehen aus der Region ab. Und nun? Was passiert mit den freiwerdenden Flächen? Zwischen Goldgräberstimmung und Wild-West-Romantik muss die Kunst ihren Platz behaupten! Im Zuge einer städtischen Bürgerbeteiligung entwickelt PM erste Ideen, wie die regionale Kunstszene an dem Gestaltungsprozess mitwirken und wie Künstler*innen hier aktiv werden können. Schon gleich zu Beginn kommt die Idee eines Förderprogramms für Bildende Kunst in Mannheim auf.

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Zusammen mit dem Architekten Manfred Morlock entstehen Entwürfe für freistehende Wohn- und Arbeitshäuser, in denen Künstler*innen im Rahmen von Stipendiatsaufenthalten wohnen und arbeiten können. 

PM formuliert erste Ideen, in den von der Projektentwicklungsgesellschaft MWSP herausgegebenen Weißbüchern, in denen Ideen und Visionen für die Konversions-Flächen gesammelt werden:

„Das Haus für Gegenwartskunst bietet Atelierräume, die als Stipendien KunststudentInnen bzw. junge KünstlerInnen kostenfrei für einen bestimmten Zeitraum zur Verfügung gestellt werden. [...] Dieses Stipendienprogramm dient dazu, eine Klasse einer staatlichen Kunstakademie dauerhaft mit ein bis zwei Professuren als Außenstelle nach Mannheim zu holen, um dadurch Mannheims Profil als Kunststadt zu stärken und kreatives Potenzial in die Stadt zu holen. Gedacht wird an eine Klasse ‘Kunst im Kontext’, die an der Schnittstelle zwischen Bildender Kunst, Architektur und öffentlichem Raum arbeitet. In der Tradition Mannheims soll hier der Schwerpunkt auf Skulptur bzw. dreidimensionale Kunst gelegt werden.“

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2013, Turley

PM schaut sich um. Für einen Beitrag zur Gruppenausstellung Mannheim–Solothurn schlägt PM vorübergehend seine Zelte in einer ehemaligen Fahrzeughalle auf Turley auf und schafft dort sein temporäres Atelier. Ohne Strom und Wasser, aber dafür umgeben von einer eigentümlichen Atmosphäre zwischen Ende und Neuanfang, auf den noch gespenstisch verlassenen Liegenschaften, arbeitet er in der Halle 464 und streift zwischendurch auf den Flächen umher.

Um ihn herum finden die ersten Abbrucharbeiten statt – wahllos wird ausgelöscht, was sich hier einst abspielte. PM wird spontan zum Fährtenleser und Spurensicherer. Er bietet sich an für das Projekt ZeitStrom – heute Maemories – der Stadt Mannheim, das die Geschichte der Amerikaner in Mannheim für die Nachwelt dokumentieren möchte, die Hinterlassenschaften zu durchforsten. Schwankend zwischen Neugier, Faszination und Widerwillen erkundet er die leerstehenden Gebäude des Kasernengeländes und taucht ein in die Militärgeschichte der Fläche. Er gräbt sich durch Militärabzeichen, Pläne und private Fundstücke, die die GIs zurückließen. Nach drei Monaten ist die Zwischennutzung vorbei. Gebäude 464 wird abgerissen.

2013, alle Mannheimer Konversionsflächen

Monumentale Träume. Die Reihe „Conversio” beinhaltet Entwürfe für Skulpturen im öffentlichen Raum, deren Ausgangsmaterial die Hinterlassenschaften der US-Armee bilden. Im Winter 2013 ist der Entwurf der ersten Conversio-Skulptur entstanden: An dem Standort der Skulptur soll eine 20 Meter breite und 20 Meter tiefe Grube in das Erdreich gegraben werden und darin Abbruchmaterial „archiviert“ werden. Mit seiner Skulptur möchte PM den Auftakt machen für eine von ihm kuratierte Reihe, bei der auf jeder der Konversionsflächen ausgewählte Künstler*innen eine Monumentalskulptur zum Titel Conversio schaffen.

 

2014, Taylor

Auf nach Taylor. PM zieht weiter in die ehemalige Fahrzeughalle Gebäude 838 auf Taylor. Auch hier ist er einer der Pioniere auf dem Areal. Und auch hier schreiten die Abbrucharbeiten in hohem Tempo voran.

2015, Taylor

Abbauen statt abreißen. Während bei den Abbrucharbeiten Gebäude in ihre Einzelteile zerlegt werden und ihre ursprüngliche Form unkenntlich gemacht, geht PM in eine andere Richtung: Er baut im Rahmen seiner Conversio-Reihe eine ehemals militärisch genutzte Wellblechhütte – Nissenhütte genannt – zerstörungsfrei ab und lagert sie zunächst ein. Er plant damit die erste Monumentalskulptur unter dem Arbeitstitel „Conversio Taylor“.

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2015, Taylor
Schafe gegen Spinde. Nicht nur aus dokumentarischer Perspektive blickt PM auf die Abbrucharbeiten vor Ort, auch stellt er den Umgang mit Ressourcen infrage. Ganz gleich ob Baumaterialien, Mobiliar oder Anlagentechnik – all dies sind Dinge, die anderswo noch gut gebraucht werden können. Das Vorläuferprojekt und die Idee für den späteren Franklin Store werden geboren. Mit dem Erlös aus dem ersten Verkauf, einer Panzerwaschanlage, der sozusagen als Pilotprojekt durchgeführt wird, überzeugt PM auch die städtische Projektentwicklungsgesellschaft MWSP, die die Flächen vermarktet davon, dass ein Verkauf der Entsorgung vorzuziehen ist. Kunden kommen nach Taylor und bauen in Eigenregie ab und aus, was sie haben möchten. Dabei werden auch unkonventionelle Zahlungsmittel akzeptiert: Im Tausch für Militärspinde erhält PM eine Schafherde, die auf den Weiten der Konversionsfläche ihre neue Heimat findet.
2016, Taylor/Franklin
Zelte abreißen. Um noch etwas Zeit zu gewinnen, bietet PM an, seine Atelier-Halle auf Taylor selbst abzureißen. Als die Halle dort dem Erdboden gleich gemacht ist, ist es Zeit, weiterzuziehen. Mit Sack und Pack. Und den Schafen.
2016, Franklin

Kamera läuft. Ein Jahr lang begleitet ein Filmteam die Pioniere von Franklin und porträtiert die Fläche und ihre Entwicklung von 2015 bis 2016. PM ist einer der Protagonisten des Dokumentarfilms „Niemandsland“.

 

Ein Film von Philipp Kohl und Donni Schoenemond, GALLIONfilm

2016, Franklin – Franklin-Store
Welcome to the Franklin-Store. Die ehemalige Tennishalle, Gebäude 725, ist der Ort der nächsten Zwischennutzung, neben einem Atelier entsteht hier auch die Verkaufsfläche des Franklin Stores – ein Klein- und Großwarenladen, in dem die Hinterlassenschaften der US-Amerikaner verkauft werden. Der Franklin Store fördert das Prinzip der Kreislaufwirtschaft: Die Waren werden vor dem Abriss der Kasernengebäude gerettet, weiterverwendet und schonen so die natürlichen Ressourcen.
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2016, Franklin

Eine Company unter vielen? PM gründet ein Unternehmen, das in den Grenzgebieten von Kunst, Kultur und Wirtschaft tätig ist: Die Alfred Packer Company. Alfred Packer ist das Alias von Philipp Morlock in seiner Rolle als Wiederverwender und Goldgräber. Wie Alfred Packer 1874 in den Rocky Mountains geht er auf den Konversionsflächen auf die Suche nach wertvollen Rohstoffen.

Inmitten einer Vermarktung, die in großen Teilen darauf setzt, Bestehendes abzureißen und zu entsorgen, geht die Alfred Packer Company einen anderen Weg und setzt sich für Kreislaufwirtschaft und Erhalt ein. Hier steht die Nachhaltigkeit im Vordergrund.

In Kooperation mit: Alfred Packer Company

2016, Franklin

Wer macht mit? Den Grundgedanken des Einraumhauses setzt der dazugehörige Förderverein um Myriam Holme und PM auf Franklin fort: Künstler*innen einzuladen und auf der Konversionsfläche Kunst zu machen, zieht sich seit 2016 wie ein roter Faden durch alle Aktivitäten. Der Künstler Roland Schappert arbeitet auf Einladung unter dem Titel „Bilde Orte Flüchtiger Welten“ einige Wochen auf der Konversionsfläche und entwickelt mehrere Wandgemälde, die sich mit der Atmosphäre des Geländes und dem Prozess seiner Umwandlung befassen. Die großflächigen Textarbeiten gingen danach mit in den Abbruch.

 

2017, Franklin Panzerhalle
Die Künstler*innen kommen. Zwischen dem 15. Juni und dem 31. Oktober 2017 präsentieren verschiedene Residenzkünstler*innen unter dem Titel „Stars and Stripes“ Arbeiten in der ehemaligen Panzerhalle auf Franklin. Die eingeladenen Künstler*innen – Jörg Gelbke, Eva Gentner, Florian Köhler, Nino Maaskola, Maximilian Martinez, Laura Sacher und Henry Staschik – arbeiten vor Ort mit den Abbruchmaterialien.
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2017, Franklin

New Franklin City. Um die Flüchtlingswelle, die im Zuge des Syrien-Krieges 2015 ausgelöst wurde abzufedern, richtet das Regierungspräsidium eine Erstaufnahmestelle auf Franklin ein. Damit sind Geflüchtete die ersten eigentlichen Nutzer der von den US-Amerikanern hinterlassenen Flächen. Schnell lernt PM einige von ihnen kennen. Viele sind neugierig und haben Lust mit anzupacken. So kommt es zu einer sogenannten Flüchtlingsintegrationsmaßnahme, in deren Rahmen Geflüchtete bei verschiedenen künstlerischen Projekten mitarbeiten, dadurch werden die häufig nicht wahrgenommenen Franklin-Bewohner ins Stadtleben einbezogen.

In Anlehnung an John Lennon, der sich 1974 in einem T-Shirt mit der Aufschrift „New York City“ über den Dächern seiner neuen, schnell liebgewonnenen Heimat fotografieren ließ, bedruckt PM Shirts mit dem Schriftzug New Franklin City. Damit verbunden ist eine Forderung nach gleichberechtigter Teilhabe am neuen Stadtviertel – hier sollen alle, die das Viertel mitgestalten möchten, ihren Platz finden.

2018, Franklin/Port25 Raum für Gegenwartskunst
Aus dem Kontext – in einen neuen. Im Port25 ist PM mit der Schau „out of“ zu Gast. Zusammen mit einer Gruppe von Geflüchteten, die er auf Franklin kennengelernt hat, baut er eine begehbare Architektur. So werden für das Ausstellungsprojekt Halleneinbauten von Soldaten dekontextualisiert und in dem Ausstellungssetting außerhalb des ehemaligen Kasernengeländes zu einer begehbaren Installation aufgebaut: Wandelemente werden zerlegt, neu zusammengefügt und ausgerichtet bis ein neuer Ort im Ort entsteht.
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2018, Franklin/Kunsthalle Mannheim

Move it. Anlässlich der Sonderausstellung „Konstruktion der Welt. Kunst und Ökonomie“ entwickelt das Kollektiv Volume V von der Hochschule der Bildenden Künste Saar ein Labor mit wechselnden Aktionen passend zur Schau in der Kunsthalle Mannheim.

PM vermittelt die ehemalige Zahnklinik des US-Militärs als Austragungsort. Für die Dauer der Ausstellung gastiert das Häuschen vor dem Neubau der Kunsthalle am Friedrichsplatz. 

Künstler*innen: Anja Khersonska, Christine Reisen, Marion Cziba,Richard Engel, Jochen Follmar, Esther Momper, Timo Poeppel, Nora Roedelstuertz, Lila Rose, Bogdan Obradovic, Christiane Wien, Mara Ebenhöh, Lisa Marie Schmitt, Katharina Hamp, Hyun Ju Do, Catherine Duboutay, Cornelia Fachinger, Eva Gentner, Anna Gohmert, Lorenz Gugeler, Andreas Handel, Jan Heintz, Myriam Holme, Deok Hyeon Jeong, Hyeonsu Jung, Yun Joung Kim, Myriam Kind, Jules Meiser, Philipp Morlock, Sarah Niecke, Mulim Park, Julia Rabusai, Claudia Raudszus, Marlene Reiche, Christian Richert, Laura Sacher, Johanna Schlegel, Bahzad Sulaiman, Polina Trishkina, Stefan Wäldele, Georg Winter, Pyung Hyun Ye, Hannah Zeller, Betty Beier

2018, Franklin

Kunst am Bau. Die Künstlerin Laura Sacher ist im Rahmen des Förderprogramms für junge Bildende Künstler*innen zu Gast im Haus am Sullivan Ring 226-228, das später zu barac – Kunst/Labor/Soziales wird. Für ihre Arbeit „Stranger from it's own“ entkernt sie das Dachgeschoss des Gebäudes und baut es um zur Skulptur. 

Förderer: Baden-Württemberg Stiftung, Kulturamt der Stadt Mannheim, MVV Energie Sponsoringfonds, Franklin Field – Pioniere und Freunde e.V. 

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2019, Franklin, New Franklin City

Goldgräber. Die verborgenen Schätze auf der Konversionsfläche, wo sind sie zu finden? Der Ausgangspunkt der im Oktober 2019 realisierten Ausstellung „Goldener Benjamin“ ist die Frage nach dem goldgräberischen Potenzial von Franklin. Die eingeladenen Künstler*innen zeigen neue Möglichkeiten des Umgangs mit dem wertvollen Bodenmaterial und bieten ein alternatives Investment. Im Vordergrund der Kunstwerke, die prozessorientiert realisiert werden, steht zum einen die Entdeckung einer Lehmader, die das gesamte Gelände durchquert. Zum anderen reflektieren die künstlerischen Arbeiten wie – noch vor der Erschaffung des neuen Stadtteils Franklin – neue Welten, aufgrund der Wiederverwendung von Materialien, vor Ort geschaffen werden.

Die Ortsbezeichnung „New Franklin City“ beschreibt die künstlerische Aneignung des Stadtquartiers, das von Künstler*innen noch vor den Umbaumaßnahmen als Geisterstadt betreten wurde. 

Während allen Veranstaltungsterminen sorgt die Mobile Kantine in einem umgebauten Bauwagen mit Kaffee und Kuchen für die Verpflegung. 

Künstler*innen: Jörg Gelbke, Anna Gohmert, Nino Maaskola, Martin Pöll, Laura Sacher

Kooperationspartner: Alfred Packer Company, MWS Projektentwicklungsgesellschaft mbH

Förderer: Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg, Kulturamt der Stadt Mannheim

Die Mobile Kantine ist ein Sozialprojekt des Franklin Field – Pioniere und Freunde e.V. in Kooperation mit dem Diakonische Hausgemeinschaften Mannheim – Inklusion leben lernen – e.V. und dem Einraumhaus-Förderverein.

2019, Taylor-Park

Gelandet auf dem Hügel. Die erste Monumentalskulptur der Conversio-Reihe entsteht auf Taylor. Es handelt sich um eine einst militärisch genutzte Wellblechhütte, die PM an neuer Stelle auf der Konversionsfläche wieder aufbaut. 

 

2020, barac
Unter Dach und Fach. Die Verträge für barac – Kunst/Labor/Soziales werden unterzeichnet. Der Traum eines dauerhaften Hauses für die Kunst ist wahr geworden. 

Gemeinsam mit Myriam Holme und Andreas Handel
Realisiert mithilfe der Stiftung trias

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2020, Franklin
Alle helfen mit. Bewohner*innen, Künstler*innen sowie Student*innen aus den Bereichen Kunst, Architektur, Ingenieurwesen beginnen das Haus zu beleben. Atelier-, Wohn- und Gemeinschaftsräume entstehen und werden so umgebaut, dass hier zusammen gelebt und gearbeitet werden kann. 
2022, Franklin

Wie geht's weiter?  Die Tennishalle als entscheidende Produktions- und Wirkungsstätte von PM und Alfred Packer wird abgerissen. Nun steht PM vor der Frage, wohin sein Atelier wandern soll und kann. Während auf barac ein Wohnort für die Künste entstanden ist, ist der Ort der Produktion verloren gegangen. Das Wandern geht weiter. Mannheim – Texas. Ausgang offen?

2022, Spinelli

Was lange währt… Die nächste Conversio-Skulptur ensteht. In Anlehnung an seinen ersten Entwurf von 2013 realisiert PM im Rahmen der BUGA 23 eine weitere Monumentalskulptur. Auf Spinelli haben die Bauarbeiten begonnen.