barac – Kunst/Labor/Soziales

EINS STEHT FEST
barac war früher eine Kaserne. Die Nazis haben sie gebaut, als Flak-Kaserne I. Mehr als 4.000 Quadratmeter, robustester Stahlbeton, sogar das komplette Dach, absolut sicher vor den Bomben der Alliierten.
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EINS STEHT ALSO DEFINITIV FEST
Das Gebäude von barac. Weniger fest steht, was darin passiert. Fragt man Myriam Holme und Philipp Morlock, die barac ausgetüftelt und aus der Taufe gehoben haben, so ist die Veränderung hier das formende Prinzip: „Alles ist im Fluss – wenn wir dir heute etwas erzählen, hat sich die Lage nächste Woche vielleicht schon wieder geändert.“ Ein paar Fixpunkte gibt es aber doch. Der linke Flügel des U-förmigen Gebäudes ist der Kunsttrakt. Im Erdgeschoss sind Atelier- und Ausstellungsräume. Das Erdlabor ist hier ebenso beheimatet wie das Farblabor (dazu später mehr). Im ersten Stock liegen, entlang eines langen Flurs, die Zimmer, in denen die barac-Stipendiat*innen wohnen. Im Dachgeschoss unter der massiven Stahlbetondecke sind nochmals Ateliers, Werkstätten und sogar ein klassisches analoges Fotolabor untergebracht.

Der andere Flügel von barac ist der Inklusionstrakt. Menschen mit Behinderungen und Einschränkungen werden hier wohnen. Und Menschen, die diese Menschen betreuen. Mit dem Diakonische Hausgemeinschaften Heidelberg e.V. arbeitet barac dabei zusammen. Ingo Franz, der Geschäftsführer des Vereins, ist in diesem Bereich versiert. Er war einer der Gründer des Heidelberger Mehrgenerationenhauses, zu dessen Eröffnung 2007 sogar Ursula von der Leyen, damals Familienministerin, aus Berlin nach Heidelberg kam.

Der Mittelteil schließlich, der die beiden Flügel verbindet, ist der offene Bereich. Eine große Küche ist hier untergebracht, ein noch größerer Aufenthaltsraum und lange Tische, an denen ganz viele Leute sitzen können. Der Kaffee wird in, sagen wir, unkonventionell geformten Tassen gereicht – Produkte des Erdlabors, in dem aus Franklin-Erde Keramik und Kunst gemacht wird. Die großflächigen Glaswände samt Türen, die die einzelnen Bereiche trennen, hat Philipp Morlock aus der Zentrale der Bauhaus-Baumarkt-Verwaltung, die vor Kurzem kernsaniert wurde – reduce, reuse, recycle.

Doch barac wäre nicht barac, wenn es auch für den offenen Bereich nicht schon weitere Pläne gäbe. Eigenes Sauerteigbrot wollen die barac-ler künftig hier backen. Nicht nur für den eigenen Bedarf, sondern für alle auf Franklin, die Lust auf frisches, handwerklich gebackenes Brot haben. Die Maschinen sind schon gekauft und auch ein Bäcker aus dem Odenwald ist schon gefunden, der sie mit Know-how, Technik und Rezepten unterstützt. Alles ist im Fluss – und praktisch täglich werden neue Ideen ausgebrütet – und vor allem umgesetzt.
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ICH BAU MIR DIE WELT, WIE SIE MIR GEFÄLLT ...
Und nun steht es da, barac, und wächst und gedeiht. „Alles, was wir uns damals in unserem Manifest gewünscht haben, ist heute da“, sagt Myriam und schafft es dabei, gleichzeitig verwundert zu klingen und so, als sei das eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Was man sich wünscht, wird irgendwann wahr. „Es ist alles einen anderen Weg gegangen, als wir uns vorgestellt haben, aber es ist da.“ Kunst, Labor, Soziales – jeder dieser Begriffe müsste eigentlich nochmal dick unterstrichen werden.

 

KUNST
Mehr als ein Dutzend Künstler*innen leben hier schon. Absolvent*innen die meisten, mehrheitlich von der Kunstakademie in Karlsruhe. „Wir wollten keine Residenzen“, erklärt Myriam. „Wir wollen vielmehr die Leute nach dem Studium abholen, ihnen etwas anbieten und einen Start in die künstlerische Existenz ermöglichen.“ Statt in postgraduierter Panik nach Berlin oder Hamburg zu gehen, einfach auf barac einziehen, durchschnaufen, und in aller Ruhe eine Antwort auf die Frage finden: Was will ich wirklich? Ein Jahr läuft das Stipendium auf barac und kann maximal noch um ein Jahr verlängert werden. Hinzu kommen noch eine Handvoll Kurzzeitstipendiaten, die für einen Monat in barac einchecken. „Wir nehmen euch an die Hand, begleiten euch und eure Arbeiten und vernetzen euch – das ist unser Versprechen“, sagt Myriam. Ein festes Programm oder Curriculum gibt es nicht, stattdessen Freiheit für Projekte, Werke, Experimente. Nur Dienstag um 14 Uhr – der Termin ist fix – versammeln sich alle zur „Kunstakademie“, präsentieren ihre Arbeiten, diskutieren darüber, da kann es schon mal spät werden. Und auch das mit dem Vernetzen klappt. Eine Stipendiatin, Julla Kroner, die über Braunschweig und Karlsruhe den Weg nach Mannheim fand, setzt gerade ein Projekt mit dem Nationaltheater um, das barac-Kollektiv begleitet eine Reihe des NTM. Ebenfalls auf dem Programm steht eine Ausstellung von barac-Künstler*innen in Neustadt und Heidelberg und Johan Holten, Leiter der Kunsthalle Mannheim, hat neulich angeklingelt und gefragt, ob eine Residenz-Künstlerin eventuell auf barac wohnen könnte. Darf sie selbstverständlich. Und auch die Urmutter von barac, das Einraumhaus, präsentiert regelmäßig Arbeiten der barac-ler. Die Maschinerie läuft, die Netzwerke wachsen …

 

LABOR
Drei ausgewiesene Labors gibt es schon auf barac: Das Erdlabor, das Farblabor und das Fotolabor von Benjamin Jantzen und Miriam Nachname. In ersterem wird Keramik gemacht aus Franklin-Erde, in letzterem mit Naturfarben experimentiert. Mörser, Petrischalen, Gläser und Flaschen stehen dort auf den Regalen und natürliche Stoffe in allen Formen, Farben und Aggregatszuständen. Nicht nur die barac-ler experimentieren hier, regelmäßig gibt es auch Workshops für Leute von außerhalb. Doch damit ist die Laborarbeit längst noch nicht erschöpft. Für „Soulkitchen“, ein mobiles Projekt, dass Kids aus schwierigen Stadtteilen ein Mittagessen anbietet, hat das barac-Kollektiv ein Auto restauriert, für das regionale Magazinprojekt „bloq“ ein dreirädriges Ape umgebaut und für den Verkauf des hausgemachten barac-Brots einen Leiterwagen zu einem mobilen Markstand umfunktioniert, der künftig immer mittwochs auf dem Wochenmarkt auf Franklin Stellung beziehen wird. Dazu kommen weitere hauseigene Projekte wie eben die Bäckerei oder die große Küche im Mitteltrakt, in der mit nachhaltigem Kochen experimentiert wird, und natürlich das barac-Gebäude selbst, in dem es immer wieder etwas umzubauen, einzubauen, auszubauen, zu restaurieren und reparieren, zu streichen, schleifen oder polieren gibt. Das Labor läuft also, nur eines bietet barac nicht: „Wir brauchen dringend Räumlichkeiten als Ersatz für die Tennishalle, um größere Projekte umsetzen zu können“, erklärt Philipp. Und wer ihn kennt, hat keinen Zweifel –  bald wird es auch dafür eine Lösung geben. Nicht warten, sondern machen.

 

SOZIALES
Zum Sozialen gehört selbstverständlich der rechte Flügel von barac, der Inklusionstrakt. Es wird spannend sein zu sehen, welche Interaktionsmöglichkeiten sich zwischen den Bewohner*innen ergeben, jenseits eines gemeinsamen Alltags. Doch das Soziale geht noch darüber hinaus. Denn barac ist auch ein utopisches Projekt, das Fragen stellt. Wie kann ich mich als junge Künstlerin oder als junger Künstler als Teil eines Kollektivs jenseits der üblichen Marktmechanismen – Berlin, Hamburg, Galerien, Marke, Marketing – etablieren? Welche Möglichkeiten und Chancen bietet eine Stadt, die eigentlich nicht als Hotspot der Kunstszene gilt? Und eine Frage, die gerade immer brennender diskutiert wird: Wie kann nachhaltige Kunst aussehen oder, besser noch, ist Nachhaltigkeit eine Kategorie, die sich auf Kunst beziehen lässt, kann es überhaupt nachhaltige Kunst geben? Und es geht noch weit darüber hinaus: barac ist ein utopisches Projekt, aber keines, das sich nach außen abschottet oder das ein festes Programm verfolgt und durchzusetzen versucht. Keine Insel und keine Kaderschmiede. Vielmehr öffnet sich barac nach außen, ist durchlässig und extrovertiert, und sucht die Interaktion mit der Stadtgesellschaft. „Künstlerische Intervention“ oder „Forschung mit den Mittel der Kunst“ wird das oft in schönstem „Kurator*innendeutsch“ genannt, selbst wenn häufig nicht viel mehr dahinter steckt als ein paar Geflüchtete oder Wohnungsglose in die Aktion einzubinden. Doch bei barac ist das, wie auch schon beim Einraumhaus, anders. Beides sind wirklich Orte in der Stadt, soziale Orte, die ungewohnte Begegnungen und ungewöhnliche Konstellationen initiieren, die Menschen zusammenbringen, die sich ohne diese Orte vielleicht nicht treffen würden, die ihr Umfeld kräftig durchrütteln und neu ordnen – und die damit zeigen, was möglich ist.

Ausug aus dem Text „barac – nicht warten sondern machen“ von Daniel Grieshaber